Ich kam mir vor wie in einer Zeitreise:
am 22.3.2009 nahm ich an den Frankfurter Dialogen im Frankfurter Schauspielhaus teil und habe mit Daniel Cohn-Bendit, Ernst Wilhelm Händler, Rainer Hank, Thomas Kuczynski und Martin Lüdke als Moderator über die Systemfrage diskutiert: ist der Kapitalismus noch zeitgemäß? Der ewige Ökonomenstreit, der wie immer die Lager entzweit: diejenigen, die den freien Markt mit seinen selbst heilenden Kräften und ohne Regulierung als die einzige Form der Wohlstandsschaffung sehen und diejenigen, die den Staat allein agieren lassen wollen und ein eigenes Wirtschaftssystem ablehnen. Vor Jahrzehnten haben sich ganze Länder an der Systemfrage entzweit. In der heutigen Welt haben wir verstanden, dass der Markt allein nicht nur Wohlstand hervorbringt, sondern auch soziale Ungleichheiten und Fehlentwicklungen, wie die Finanzkrise derzeit eindruckvoll zeigt. Ist die Finanzkrise wirklich ein Beleg dafür, dass der Kapitalismus ausgedient hat?
Die hitzige Diskussion im Frankfurter Schauspielhaus hat interessanterweise eine Einigkeit hervorgebracht: dass nicht der Kapitalismus an sich der Grund alles Übels ist, sondern Gier, Maßlosigkeit und fehlende Regulierung zu Fehlentwicklungen führen. So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig- die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft – haben weiterhin Gültigkeit. Interessant ist aber derzeit vor allem, dass gerade die Ökonomen, die bisher immer lautstark den Markt als alleinigen Heilsbringer hervorgehoben haben, derzeit den Staat als aktiven Akteur fordern. Die Umweltökonomen wissen ja schon seit jeher, dass die reine Marktwirtschaft Ineffizienzen und Marktversagen hervorbringen kann: das Energieproblem löst sich nicht von selbst, denn aufgrund der Trägheit des Energiemarktes kann der Energiepreis nicht die richtigen Signale liefern: wenn der Ölpreis nach oben schnellt, können die Wirtschaften ähnlich wie bei der Finanzkrise kollabieren. Zudem verursacht der Klimawandel erhebliche volkswirtschaftliche Kosten, die das Wirtschaftssystem in eine Krise bringen kann. Die Politik muss dieser Fehlentwicklungen verstehen und entsprechende politische Handlungen vornehmen, um die Krise zu vermeiden. Wie man an der Finanzkrise unschwer ablesen kann, ist dies nicht ganz einfach. Die Diskussion bei den Frankfurter Dialogen war intensiv und lösungsorientiert- das war vor einigen Jahrzehnten sicherlich noch anders. Und das ist der sichtbarste Erfolg des Kapitalismus.