So mancher VWL Professor vergleicht die Koste des Klimawandels mit einem Dachschaden. „Wenn Sie das Dach nicht reparieren lassen, entsteht ein Schaden in Höhe von 50.000 Euro. Klar ist, dass sich eine Reparatur immer dann lohnt, wenn sie weniger als 50.000 Euro kostet.“ eine Replik auf meinen Appell, mehr Fairness in der Kosten-Nutzen-Diskussion rund um die Energiewende walten zu lassen. Das „einfache Beispiel“ ist leider etwas zu einfach, zur Illustrierung ungeeignet und in dreifacher Hinsicht falsch.
Erstens bezahlen wir – um im Bild zu bleiben – schon die ganze Zeit die Folgekosten des löchrigen Daches, also die erhöhten Heizkosten, die Schimmelbekämpfung an den feuchten Wänden, die medizinische Versorgung der erkälteten Hausbewohner und den Kammerjäger, der die im Dach nistenden Tiere vertreiben muss. Die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels sind bereits jetzt so hoch, dass wir laut Berechnungen des Umweltbundesamtes schon heute pro Tonne CO2 mindestens 180 Euro bezahlen – ohne es zu merken.
Zweitens geht es nicht darum, ab wann es sich lohnt, irgendetwas zu reparieren. Das Handeln wird garantiert rentabel. Nichtstun ist in jedem Fall teurer. Selbst die politisch bereits akzeptierte 1,5-Grad-Erwärmung wird die nächsten Generationen – jenseits aller Klimaschutzmaßnahmen – noch eine Menge Geld kosten, etwa für Anpassungsmaßnahmen wie Deichbau oder Umbau von Forst- und Landwirtschaft. Ganz zu schweigen vom Aussterben vieler Pflanzen- und Tierarten, Ressourcenknappheit und daraus resultierenden Konflikten und Migrationen.
Und drittens reden wir nicht von einem kleinen Dachschaden, sondern von einem Szenario, das in der Wissenschaftswelt mit dem Begriff „Verwüstungsanthropozän“ genannt wird. Nicht allein das Dach ist bedroht, sondern das ganze Haus. Die fossile Energiegewinnung muss nicht repariert, sie muss beendet werden, denn sie ist Ursache für die immer bedrohlichere Klimaerwärmung.
Völlig richtig ist, dass die Höhe der Schäden, die man mit Klimapolitik vermeiden kann, unabhängig davon ist, mit welcher Technologie diese Vermeidung erreicht wird. Ganz genau. Eben drum ist dieses Beispiel schlicht deplatziert.
Mein Kernargument lautet, dass wir im Sinne einer wissenschaftlich seriösen Kosten-Nutzen-Diskussion aufhören müssen, den Schaden kleinzurechnen, sondern als das beziffern soll, was er ist. Dabei ist es rechnerisch egal, ob er als Negativbetrag (Folgekosten, „Nebenwirkungen“) in der Bilanz der fossilen Energien oder als Positivbetrag (Vermeidungsgewinne) in der Bilanz der erneuerbaren Energien steht. Egal welche Maßnahmen wir ergreifen, sie werden günstiger sein der Schaden, solange sie den Schaden beheben.
Doch wenn wir bei einer ehrlichen und transparenten Bepreisung der Gesamtkosten nun beginnen, die Kosten bzw. Vermeidungserträge der verschiedenen Maßnahmen miteinander zu vergleichen, dann kann man selbstverständlich Unterschiede festmachen. Exakt das ist der Kern meiner Forschung, die ich seit nunmehr 20 Jahren im Austausch mit internationalen Kolleg*innen betreibe.
Die Debatte darüber wurde in den letzten 30 Jahren vielleicht nicht in den Feuilletons der Zeitungen und auch nicht in den Lobbys der Parlamente, aber doch in der wissenschaftlichen Fachwelt intensiv geführt und sollte allen Wirtschaftsprofessoren, die sich zu diesen Themen äußern durchaus bekannt sein. Wissenschaftlich belegt ist, dass die durch ein E-Auto vermiedene Tonne CO2 keinesfalls 2.000, sondern maximal 100 Euro kostet. Übrigens eine Zahl, die auch der BDI verwendet, bekanntlich eine Organisation, die sich durchaus um Klimaschutz-Kosten schert. Übrigens: Aufgrund rasant fallender Batteriekosten sinkt dieser Preis derzeit deutlich.
Wer hier von „überteuerten Reparaturkosten“ redet, muss noch nicht mal das große Klimakrisen-Szenario anschauen, sondern sollte schlicht den unmittelbar ökonomischen Nutzen der Energiewende betrachten: Wie die Elektromobilität es derzeit in Deutschland eindrucksvoll zeigt, entstehen hier Innovationen, Arbeitsplätze und Wertschöpfungen. Von großem Nutzen ist außerdem, dass wir damit die in den Klimabeschlüssen vereinbarten Emissionsminderungsziele im Verkehrssektor erreichen, die wir – wie im Übrigen fast alle Industriestaaten – vertraglich vereinbart umsetzen müssen und die wir – wie das Bundesverfassungsgericht jüngst bestätigt hat – nicht den zukünftigen Generationen aufbürden dürfen.
Auch das höchste deutsche Gericht hatte nämlich sehr wohl die Kosten im Blick, nämlich den Preis der Freiheit, den schon die nächsten Generationen zahlen müssen, wenn wir heute nicht endlich handeln. Es lohnt sich also über Kosten zu reden. Darin sind wir uns einig. Aber bitte seriös, ehrlich und fair!