Spiegel online, Autor Anselm Waldermann, veröffentlicht am 23.9.09 ein vertrauliches PR-Strategiepapier, welches wohl von E.on beauftragt wurde (was E.on aber bestreitet), in dem indirekt der Verdacht geäußert wird, dass Fritz Fahrenholt, Norbert Walter und ich als „Atomlobbyisten“ für E.on im Einsatz sind. Ein ‚Verdacht‘, der offenbar für manche sogleich ein ‚Fakt‘ ist: Spiegel-Journalist Christoph Schwennicke sprach mich am selben Abend auf einer Veranstaltung als „geoutete Atomlobbyistin“ an. Unfassbar, wie seriöse Journalisten sofort Vorverurteilungen und Beschuldigungen parat haben – vermutlich (hoffentlich) war es ironisch gemeint.
Neben konkreten Politikern insbesondere auch aus der SPD wurden neutrale Fachleute genannt, die sich argumentativ für die Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken aussprechen. In der ursprünglichen Version des Spiegel-online Artikels (am 23.9.09) waren zudem die Namen von Journalisten aufgelistet, die in dem PR- Strategiepapier samt möglicher Parteizugehörigkeit und ihrer Einstellung „pro“ bzw. „kontra“ Kernenergie genannt waren. Diese Liste findet sich in dem „korrigierten“ Artikel nicht mehr. Dazu gibt es folgende Anmerkung der Redaktion: „In einer ersten Version dieses Textes wurden die Namen der Journalisten veröffentlicht. Aufgrund von Bedenken einiger Betroffener wurde diese Übersicht entfernt.“ Es scheint hier von großem Vorteil zu sein, dass man als Journalist korrigierend auf die Berichterstattung einwirken kann. Sicherlich haben nahezu alle genannten Betroffenen vergleichbare Bedenken, werden aber nicht gestrichen. Die Willkür dieser Art der Berichterstattung ist beeindruckend!
Dass man mich indirekt als „E.on-Lobbyistin“ bezeichnet, wird E.on vermutlich amüsieren, denn es ist bekannt, dass ich nicht gerade eine Freundin des Konzerns bin. Meine kritische Haltung gegenüber dem marktdominierenden Strom- und Gasanbieter ist dem Konzern lange ein Dorn im Auge. Die Forderung nach mehr Wettbewerb im Strom- und Gasmarkt, die ständigen Hinweise auf überhöhte Strompreise aufgrund des mangelnden Wettbewerbs sowie die Forderung nach der Entkopplung des Gaspreises vom Ölpreis und die Kritik am Bau der Ostseepipelines haben den Konzern oft genug zur Weißglut gebracht, was mir gegenüber oft genug deutlich zum Ausdruck gebracht wurde.
Es ist verständlich, dass sich der Konzern um eine andere öffentliche Meinung bemüht und sich dabei von angeblichen PR- Spezialisten beraten lässt. Die plumpe Vorgehensweise muss aber erschrecken, erst recht, wenn man glaubt, Kritiker zu Lobbyisten machen zu können.
Allerdings ist eines offenbar gelungen, nämlich Zweifel an der Neutralität kritischer Experten zu mehren. Das ist schade. Von einem Nachrichtenmagazin, das sich als Speerspitze des investigativen Journalismus versteht, hätte ich mehr kritischen Verstand erwartet. Ein letzter Hinweis an die Spiegel-Redaktion: Auch ich melde große Bedenken als Betroffene an, in diesem Zusammenhang genannt worden zu sein. Vielleicht gibt es ja noch eine dritte Version des Artikels.