Nachdem das lang angekündigte Energiegutachten dreier Wirtschaftsinstitute nun vorliegt, streitet man sich in Politik und Gesellschaft noch vehementer über die Frage: brauchen wir nun eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken oder brauchen wir sie nicht? ist eine Laufzeitverlängerung wirklich positiv für die Wirtschaft oder schadet sie nicht sogar? bei der Vorstellung der Studie durch den Wirtschafts- und Umweltminister wurde deutlich, wie unterschiedlich man Ergebnisse interpretieren kann und es letztendlich nur auf die eine Frage hinausläuft: welche Energieversorgung möchte Deutschland, was ist politisch gewünscht?
Es war ohnehin ein Konstruktionsfehler, erst einmal lange Monate zu warten, um dann ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag zu geben, auf dessen Ergebnisse man politische Entscheidungen legitimieren möchte. Da es zahlreiche Gutachten und Szenarien über die künftige Energieversorgung in Deutschland gibt, hätte man gleich zu Beginn der Regierungsbildung eine wissenschaftliche fundierte Meta Studie in Auftrag geben können, die bisherige Studien untersucht und einordnend bewertet. Je nach der Entwicklung der restlichen Energieversorgung in Deutschland kann eine Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken zu negativen oder zu positiven Wirkungen führen. Der Bundesumweltminister erwartet erhebliche Nachrüstungen für Kernkraftwerke, wenn diese länger laufen sollen. In Deutschland wird ca. 50 % des Stroms aus Stein- und Braunkohlekraftwerken gewonnen, ca. die Hälfte ist über 40 Jahre alt und könnte aus Altersgründen vom Netz- wenn man die Laufzeiten derart CO2 intensiver und ineffizienter Kraftwerke nicht verlängert. Ungefähr 22 % des Stroms kommt aus Kernkraftwerken, ca. 12 % aus Gaskraftwerken und 16 % des Stroms wird aus erneuerbaren Energien gewonnen. Der Anteil der erneuerbaren Energien wird ohnehin weiter wachsen, da man das Förderinstrument zwar abmildern, aber nicht abschaffen wird. Zentral für den Ausbau erneuerbarer Energien ist der Ausbau der Netze, der Infrastruktur und der Speicher. Im Energiegutachten der Bundesregierung will man im Jahre 2050 knapp 80 % des Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnen, bei gleichzeitiger deutlicher Reduktion der Stromnachfrage. Zudem wird die Gebäudeenergie um 80 % reduziert, die restliche Menge wird ebenso aus erneuerbaren Energien gewonnen. Der Kraftwerkspark verschiebt sich so hin zu einer nahezu Vollversorgung mit erneuerbaren Energien, der restliche Anteil wird aus Importen gewonnen. Die geringen Auswirkungen auf den Strompreis sind dabei weniger ein Resultat aus der Laufzeitverlängerung als ein Resultat aus der Reduktion der Stromnachfrage. Die Förderung erneuerbarer Energien soll nur bis zum Jahr 2020 andauern, danach marktwirtschaftliche Instrumente zum Einsatz kommen. Das Gutachten nimmt ferner an, dass der Kraftstoffbedarf zu 80 % aus Biokraftstoffen gedeckt wird, zudem bleiben die Wind Offshore Potentiale weit hinter den deutschen und europäischen Erwartungen zurück. Zudem sinken die Kosten für Photovoltaikanlangen nicht in dem Umfang, als dass die Technik als wettbewerbsfähig in den kommenden vier Jahrzehnten werden könnte. Insbesondere letzte Annahme dürfte sich als grundfalsch herausstellen, da die Kosten schon im kommenden Jahrzehnt derart fallen dürften, dass man vermutlich in der Tat in 20 Jahren keine Förderung mehr bedürfen dürfte. Den Szenarien und Modellergebnissen merkt man deutlich an, das es politische Szenarien sind, die gewählten Annahmen sind zum Teil willkürlich gewählt und die Ergebnisse auf Strompreiswirkung und Stromimporte aus Modellsicht inkonsistent. In der abschließenden Bewertung muss man konstatieren, dass nahezu willkürlich politische motivierte Annahmen die Szenarien beschreiben, die jedoch weit mehr beinhalten als eine Bewertung einer Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken. Die Kernenergie kann nur ein Brückenpfeiler sein: neben der drastischen Verbesserung der Energieeffizienz, dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der massiven Erweiterung des Stromnetzes und Speicher kann Kernenergie nur ein kleiner Baustein sein. Es bleibt nun abzuwarten, wie man eine Halbierung der Energienachfrage erreichen will, wenn man gleichzeitig die finanzielle Unterstützung für die Gebäudesanierung kappt. Man kann nur hoffen, dass das wirkliche Ziel, nämlich die nahezu Vollversorgung mit erneuerbaren Energien und das massive Energiesparen, nicht im Trubel um Atomkraftwerke untergeht. Denn genau darum muss es gehen, wenn man ein Energiekonzept erarbeitet: das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verlieren.