Wo sie doch die Stromnetze verstopfen, zu negativen Preisen führen und immer mehr Überkapazitäten produzieren?
Derzeit werden zwei Argumente für erneuerbare Energien und gegen Großkraftwerke genannt:

1. das Stromangebot aus erneuerbaren Energien schwankt noch immer beträchtlich, somit muss man flexiblen Strom zum Ausgleich vorhalten. Zum Ausgleich von schwankendem Strombedarf und Stromangebot können nur solche Kraftwerke zum Einsatz kommen, die rasch derartige Schwankungen ausgleichen können, wie zum Beispiel Gaskraftwerke. Inflexible Großkraftwerke wie Atom- oder Kohlekraftwerke würden somit nicht mehr benötigt.
2. Das Überangebot von Strom ist häufig an der Strombörse ablesbar, wo manchmal negative Strompreise auftreten. Negative Preise werden als Argument genannt, warum die Großkraftwerke ohne Probleme vom Netz gehen können.
Zum ersten Argument:
Zunächst einmal: In Deutschland beruht die Stromerzeugung gegenwärtig zum großen Teil über 70 % auf Stein- und Braunkohle sowie Kernenergie. Der Anteil erneuerbarer Energie konnte allerdings in den vergangenen Jahren stark anwachsen und hat heute schon einen Anteil von 17 % an der Stromerzeugung erreicht. In Deutschland stehen im Zuge des Alterungsprozesses von Kraftwerken und aufgrund des Atomenergieausstiegsbeschlusses bis zum Jahre 2020 in der Stromerzeugung umfangreiche Neuinvestitionen an. Das Atomenergieausstiegsgesetz bewirkt, dass bis zum Jahre 2021 alle 17 der derzeitigen in Betrieb befindlichen Kernenergiekraftwerke vom Netz gehen werden. Allein durch die Abschaltung der Atomkraftwerke müssen bis 2021 Ersatzinvestitionen für 20 GW Stromerzeugung geleistet werden. Weitere 20 GW müssen altersbedingt vom Netz.

Es ist richtig, dass Großkraftwerke wie Kernenergie oder Kohlekraftwerke nicht flexible schnell hoch und runter gefahren werden können, um Schwankungen bei den erneuerbaren Energien auszugleichen. In vielen Fällen werden sogar eher die Windanlagen abgeschaltet. Dies muss jedoch vor allem durch die Verbesserung und den Ausbau der Netze verhindert werden. Wir benötigen dringend den Ausbau der Stromnetze um zum einen die erneuerbaren Energien besser zu integrieren aber auch um den Stromhandel in Europa zu verbessern. Eine deutschlandweite Netzgesellschaft wäre die beste Lösung. Damit könnte ebenso die bisherige Verschwendung von Regelenergie aufgrund von vier unterschiedlichen Regelenergiezonen drastisch vermindert werden. Eine einheitliche deutsche Netzinfrastruktur kann den Wettbewerb stärken, Synergieeffekte erschließen den Europäischen Energiehandel verbessern. Zudem werden Kosten durch die Verminderung der notwendigen Bereitstellung von Regelenergie gespart.
Zum anderen besteht das Problem in Deutschland aber darin, dass wir zusätzlich zu den 23% Kernenergie, die in den kommenden 10 Jahren vom Netz gehen sollen, ungefähr noch einmal den gleichen Anteil von Energie aus alten Kohlekraftwerken verlieren werden, die aus Altersgründen vom Netz gehen müssen. Das heißt: 40% des heutigen Stromangebots gehen politik- oder altersbedingt in den kommenden 10 Jahren vom Netz. Die Überkapazitäten werden somit komplett abgebaut- im Gegenteil, man muss entscheiden, wie man die Lücke schließen will. Das funktioniert zur Hälfte durch Energieeinsparung und Kraft- Wärme Kopplung (mit Gas) sowie den Ausbau erneuerbarer Energien. Die Frage ist dann aber: wie werden die restlichen 20% des Stroms produziert? Man kann neue Kohlekraftwerke bauen, die zwar effizienter sind als die alten, aber dennoch große Mengen klimaschädlicher Treibhausgase produzieren. Auch Gaskraftwerke sind interessant, da sie in der Verbindung mit der Wärmeproduktion äußerst effizient und zudem flexibel einsetzbar sind. Allerdings würde sich dann der Gasimport erhöhen, insbesondere aus Russland.

Zum zweiten Argument:
aufgrund der Überkapazitäten kommt es in der Tat auch manchmal zu negativen Preisen. Es kann aber manchmal auch zu explodierenden Strompreisen kommen, wenn das Stromangebot knapp wird, wie zum Beispiel in sehr heißen Sommern, wo das Kühlwasser nicht ausreicht und viele Großkraftwerke vom Netz gehen müssen. Wichtig ist aber der Durchschnittspreis, der sich über einen längeren Zeitraum bemisst. Und dieser wird mittels des letzten Granzkraftwerks ermittelt (Merit Order). In der Tat vermindern die erneuerbaren Energien eben diesen Preis, da das letzte Grenzkraftwerk zumeist ein teueres Gas- oder Ölkraftwerk ist, welches dann aus der Berechnung heraus fällt. Dass die erneuerbaren Energien den Großhandelspreis für Strom auch dauerhaft senken können, kann man ebenso in Dänemark ablesen. Dennoch sind die Kosten für die Produktion des Stroms aus erneuerbare Energien noch immer höher als der aus konventionellen Kraftwerken. Daher gleichen die Einspeisevergütungen gemäß EEG aus, derzeit werden die Umlagen in der Tat aus den Tarifen und den Stromhandelspreisen ermittelt. Altersbedingt gehen viele Großkraftwerke in den kommenden Jahren vom Netz und sicherlich müssen wir sie nicht alle ersetzen. In der Zwischenzeit werden wir unseren restlichen Bedarf jedoch noch immer aus fossilen Energien und Importen decken müssen.