Die derzeitige Regierung hat einen schweren Stand, ihr weht heftiger Wind durch Misstrauen und Ablehnung entgegen. Ob Atomausstieg oder Stuttgart 21, die Menschen gehen auf die Strasse, um Ihren Unmut und Protest zu zeigen. Was ist passiert, fragen sich augenreibend beispielsweise Bürger in Wien, wo ein ähnlich großer Kopfbahnhof wie in Stuttgart komplett ohne Bürgerproteste umgebaut wird, da die Wiener zu Recht die große wirtschaftliche Chance sehen. Eine tiefgreifende Diskussion um das deutsche Energiekonzept findet derzeit auch fast ausschließlich im Ausland statt. Es ist richtig, kein anderes Land in der Welt hat sich derart langfristig ausgerichtete ambitionierte Klima- und Energieziele gesetzt, nämlich die Treibhausgase um 80 Prozent zu senken, gleichzeitig den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromherstellung auf 80 Prozent zu erhöhen und sehr viel mehr zu tun, um Energie massiv einzusparen. Nur dies hat bis heute in Deutschland niemand wahrgenommen. Das hat vor allem etwas damit zu tun, dass der Entstehungsprozess des Energiekonzepts unvorteilhaft verlaufen ist. Die alleinige Fokussierung auf die Laufzeitverlängerung im Vorfeld der Erarbeitung des Energiekonzepts war ein Fehler. Die Zielsetzung des Energiekonzepts hat eine viel weitreichendere Tragweite. Es geht eben nicht um einen Ausstieg vom Ausstieg. Genau wie der vorherige Atomkonsens -welcher im Übrigen auch eine Vereinbarung der großen Energiekonzerne mit der damaligen Bundesregierung war, welche über die maximale Atomstrommenge verbindlich festgeschrieben hat- handelt es sich explizit um eine Begrenzung der Kernenergie. Man könnte es auch finalen Atomausstieg nennen- aber eben Ausstieg. Zugleich wird ein Teil des erwirtschafteten Geldes zum Umbau des Energiesystems eingesetzt. 30 Mrd. Euro ist kein Pappenstil, auch wenn man sowohl mehr Geld hätte einnehmen können als auch noch mehr Geld insbesondere für den Ausbau der erneuerbaren Energien und Stromnetze bereitstellen müssen. Aber genau diese Zusammenhänge können gar nicht verstanden werden, wenn man im Vorfeld ausschließlich über Laufzeitverlängerung diskutiert und nur mit den großen Energiekonzernen verhandelt. Man hat es versäumt, viele wichtige Akteure von Anfang an einzubeziehen. Hätte man vor allem die Branche der kleineren und mittelständischen Anbieter der erneuerbaren Energien und Stadtwerke mit ins Boot holen müssen. So hätte man das vernünftige Energiekonzept auch auf tragfähige Beine – pardon, Brückenpfeiler- gestellt. Denn eigentlich sind die Anbieter der erneuerbaren Energien die Gewinner des Wandels, wenn man einseitige Wettbewerbsnachteile vermeidet. Auch der Gebäude- und Mobilitätssektor hätte viel deutlicher die Potentiale und Maßnahmen ausarbeiten müssen. Vermutlich wird der Bundesregierung jetzt deutlich, welche Bereiche tangiert werden und man gut daran getan hätte, ein Energieministerium zu gründen, welches alle Bereiche abdeckt und Interessen bündelt. Dann hätten auch nicht fünf, sondern ein verantwortlicher Minister das Konzept eingehend vorgestellt. Die Bundeskanzlerin hätte sich zusammen mit dem Energieminister vor zukunftsweisenden Technologien filmen lassen müssen und den Menschen deutlich machen: da wollen wir hin. Das alles ist nicht passiert. Daher fragt das Ausland zu Recht: haben die Menschen in Deutschland wirklich „nur“ etwas gegen Kernenergie und akzeptieren den Rest des Konzepts? Das weiß leider keiner bis zum dem Tag, an dem vor Ihrer Haustür ein neuer Bahnhof, Stromleitung oder Ökostromanlage gebaut wird.