In einer groß angelegten Aktion prüft das Kartellamt die Preispolitik der Stromkonzerne. Was erwarten Sie?
Prof. Claudia Kemfert:
Es wird schon lange vermutet, dass Stromkonzerne die Preise an der Börse beeinflussen können, in dem sie ganz gezieltKraftwerkskapazitäten zurück halten. Es gibt mehrere Studien, die diese Annahme belegen. Und entsprechend wird jetzt geprüft, ob das so ist.

Gehen Sie davon aus, dass man fündig wird und feststellt, dass sie die Strommengen absichtlich verknappen?
Kemfert:
Das wird man sehen. Klar ist, dass die Konzerne ein Interesse an hohen Preisen haben. Seit der Marktöffnung haben sich vier große Konzerne herausgebildet, die über 80 Prozent der Kraftwerkskapazitäten inne haben und denen gleichzeitig das Netz gehört. Nur ein kleiner Teil des Stroms wird überhaupt an der Börse gehandelt, der Großteil wird im Rahmen von bilateralen Verträgen gehandelt. Die Konzerne begründen die Strompreissteigerungen mit den gestiegenen Großhandelspreisen und den hohen Abgaben für Klimaschutzkosten wie den Emissionszertikatepreisen. Fakt ist: Beide sind im Moment niedrig, aber der Strompreis fällt nicht. Das ist ein Indikator für zu wenig Wettbewerb.

Wann rechnen Sie mit Ergebnissen der Überprüfung durch das Kartellamt?
Kemfert:
Das kann dauern, bis Mai müssen sie erst mal ihre Fragebögen abgeben, vielleicht kommen Ergebnisse bis zum Herbst oder Winter, vorher wohl eher nicht.

Auf was kann der Endverbraucher dann hoffen?

Kemfert:
Ich denke, dass es schwer sein wird, nachzuweisen, ob die Konzerne tatsächlich den
Preis durch gezielte Angebotsverknappung beeinflusst haben. Aber selbst wenn, nützt es den
Verbrauchern wenig, da die möglicherweise daraus folgenden Strafzahlungen an die Konzerne
die Preise noch weiter nach oben treiben werden. Die Bundesnetzagentur hat in der Vergangenheit die Netzentgelte gesenkt, die Strompreise sind dennoch gestiegen, da sich die
Konzerne die entgangenen Einnahmen bei den Verbrauchern wiedergeholt haben. So würde es
sicher auch bei Strafzahlungen sein. Dann wird der Strompreis weiter steigen.

Was fordern Sie konkret?
Kemfert:
Das Netz sollte von der Stromproduktion getrennt werden, man müsste das Netz jetzt
unbedingt in die angestrebte einheitliche Netzagentur überführen. Die Bundesnetzagentur
muss weiterhin sicherstellen, dass die Netzentgelte nicht zu hoch sind und damit neue
Anbieter in den Markt locken. Sicherlich soll auch das Kartellamt weiterhin darüber wachen, ob
es marktmissbräuchliches Verhalten gibt – aber das ist ohnehin nur die letzte Maßnahme.
Aber auch die Verbraucher können etwas tun: Je mehr Ökostrom gekauft wird, desto mehr kleinere dezentrale Energieanbieter kommen in den Markt.

Welche preislichen Spielräume sind denn drin?
Kemfert:
Im Moment könnten die Strompreise mindestens zehn Prozent niedriger sein. Auch
beim Gas fordern wir schon lange, dass die Ölpreisbindung aufgehoben wird, denn sie ist nicht
mehr zeitgemäß. Wenn wir wirkliche Marktpreise hätten, wäre der Gaspreis auch viel niedriger. Ich denke aber, dass es hier bis zum Sommer noch eine Preisreduktion kommt.

Was empfehlen Sie dem Endverbraucher?
Kemfert:
Er sollte sehr ernsthaft überlegen, ob er wechselt. Es gibt derzeit sehr unterschiedliche und auch sehr günstige Tarife. Also, für viele würde sich jetzt ein Wechsel wirklich lohnen. HNA online