Erst solch dramatische Unfälle bewegen die Gesellschaft und Politiker nun ernsthaft dazu, sich zu fragen:
– wie lange sind wir noch abhängig vom Öl?
– Warum sind wir derart abhängig?
– Und warum haben nicht schon früher die Risiken von Tiefseeölbohrungen richtig eingeschätzt?
– Und was sollen wir jetzt tun?
– Und warum eigentlich so plötzlich?

Die globale Volkswirtschaftbasiert auf billigem Öl, es ist das „Blut unserer Volkswirtschaft“, ohne das wir nicht lebendig, gesund und glücklich sind. Die erste und zweite Ölpreiskrise aus den siebziger und achtziger Jahren haben zwar kurzfristig zu Empörung und vorübergehendem Umdenken geführt, danach war aber alles beim Alten. Wenn Öl wieder billig wird, sind die Probleme gern vergessen. Das globale Ölangebot war bisher ausreichend, um die Nachfrage zu decken. Zwar streiten sich Anhänger verschiedener Theorien darum, wann die globale Ölförderung nun wirklich sein Maximum erreichen wird, doch einig sind sich alle: Öl ist und bleibt endlich. Und die Zeit des ausreichenden Ölangebots schwindet. Die Frage ist, wie lang noch ausreichend Öl zur Verfügung steht. Die weltweite Ölproduktion beträgt derzeit ca. 85 Millionen Barrel pro Tag, die Nachfrage war vor der Wirtschaftskrise ungefähr genauso hoch. Die boomenden und besonders stark wachsenden Volkswirtschaften haben einen enormen Hunger und Durst nach Öl. Wie müssen somit das globale Ölangebot deutlich ausweiten, um die Ölnachfrage überhaupt noch zu decken. Man kann damit rechnen, dass die globale Ölnachfrage im kommenden Jahrzehnt auf 100 Millionen Barrel pro Tag ansteigen wird. Ein Trendumkehr vorher ist so gut wie ausgeschlossen, da die Mobilitätstechnologien nahezu vollständig auf Öl basieren. Auch verschwenden wie noch immer viele Nationen Unmengen an Öl, da wir Öl zumeist nicht verteuern, sondern sogar künstlich billig halten. Auch Amerika muss sich hier an die eigene Nase fassen: es verbraucht mehr als doppelt so viel wie Europa und Deutschland. Die USA hat anders als Europa kaum Energiesteuern, Mobilität ist ein Freiheits- und Wohlstandsgut, welches nicht angetastet werden darf. Und genau hier liegt das Problem: Öl künstlich teuer zu machen, ist politisch extrem unpopulär. Neue Technologien an den Markt zu bringen, bedarf einen langen Atem, und die richtigen politischen und unternehmerischen Entscheidungen.
Um das Ölangebot im kommenden Jahrzehnt hingegen auf 100 Millionen Barrel auszuweiten, müssen wir alle Ölförderstätten anzapfen- auch wenn wir es gern anders hätten. Herkömmliche und leicht erschließbare Felder gehen mehr und mehr zur Neige, zudem muss das Angebot ja global ausgeweitet werden und darf nicht konstant bleiben. Daher benötigen wir die Tiefseeölbohrungen, nicht nur in den USA, sondern beispielsweise auch vor Brasilien oder Afrika. Zudem müssen wir mit einem unglaublichen Energieaufwand und großer Umweltverschmutzung Öl aus Sänden und Gesteinen herauswaschen, wie vor allem in Kanada. So gern wir auch daran glauben wollen würden, dass wir dies alles nicht wollen, wir müssen begreifen, dass wir vor 20 Jahren hätten beginnen müssen, uns vom Öl wirklich ernsthaft zu verabschieden, wenn wir die globale Ölnachfrage heute sinken statt steigen sehen wollten. Die Tiefseebohrungen sind riskant, keine Frage. Insbesondere wenn es in Meerestiefen von über 1500 Meter geht, wie derzeit die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zeigt. Allerdings ist die Technik beherrschbar, Risiken müssen sowohl auf der Technikseite als auch auf politischer Seite minimiert werden. Und vor allem muss man alles tun, um sich auf die Schadensbeseitigung und Unfallminimierung viel besser als bisher vorzubereiten. Dennoch haben wir keine andere Wahl, wenn wir eine Energie- und globale Wirtschaftskrise vermeiden wollen. Ein Großteil der weltweiten Ölvorkommen ist in Händen von staatlich kontrollierten Systemen, wie im arabischen Raum, in Russland oder Venezuela. Private Unternehmen, die derartig kosten- und kapitalintensive Bohrungen übernehmen können, haben ohnehin nur einen Zugriff von ca. 20 Prozent der globalen Ölvorkommen. Daher ist auch ein nicht zu unterschätzender Effekt, dass wir Ölfelder diversifizieren müssen. Dies bedeutet vor allem auch die Ölbohrungen in der Tiefsee.
Der größte Teil des global eingesetzten Öls geht in die Mobilität, gefolgt von Gebäudeenergie und andere Nutzung, wie beispielsweise für die Pharmazie, Chemie und andere Produktherstellungen. Um uns also spürbar weniger abhängig vom Öl zu machen, müssten wir vor allem so rasch wie möglich andere Antriebstechniken und –stoffe in der Mobilität einsetzen. Dies würde nicht nur neue Techniken wie beispielsweise die Elektromobilität und damit verbundene Speichertechniken bedürfen, sondern vor allem auch eine neue Infrastruktur. Bei Erdgas oder Autogas als Antriebsstoff ist dies im bestehenden Tankstellen- und Fahrzeugsystem durchaus leichter und vor allem zeitnaher möglich, bei Wasserstoff wird es da schon schwieriger. Wasserstoff muss produziert werden, gelagert und transportiert werden und bedarf somit einer neuen Technik und Infrastruktur. Zwar könnte man insbesondere die erneuerbaren Energien einsetzen, um Wasserstoff zu produzieren, da das Medium Wasserstoff als Speicher genutzt werden könnte. Genauso wie beispielsweise Methan bzw. Biomethan oder andere Kraftstoffe, die energetisch hergestellt werden müssen, als Speichermedium für die volatil auftretenden erneuerbaren Energien genutzt werden könnten. Dennoch muss gesehen werden, dass enorme Investitionen in die Erforschung dieser Techniken notwenig wären, zudem müssen neue Fahrzeuge und auch Infrastruktur gebaut werden. Biokraftstoffe werden beispielsweise auch derzeit schon in den herkömmlichen Kraftstoff beigemischt. In machen Ländern in der Welt wie beispielsweise Brasilien wird ein hoher Anteil von Ethanol als Treibstoff, welcher aus Zuckerrohr hergestellt wird, bereits eingesetzt. Wichtig bei der Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen zur Treibstoffgewinnung ist die nachhaltige Herstellung, da es nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln treten darf und keine Umweltzerstörungen einhergehen dürfen.

Alles in allem bedarf es umfangreicher, konsistenter und vor allem globaler Anstrengungen, derartige innovative Technologien zu erforschen und an den Markt zu bringen. Dies muss allerdings heute begonnen werden, da wir mindestens 20 Jahre benötigen werden, um einen spürbaren Erfolg und Wandel zu sehen. Zeitgleich sollte alles getan werden, um Energie einzusparen, wie beispielsweise Energieprozesse effizienter zu machen sowie die Effizienz von Gebäudeenergie deutlich zu verbessern. All dies bedarf es weitreichender politischer Regulierungen und kluger unternehmerischer Entscheidungen. Die „grünen“ Märkte, d.h. die Energieeffizienztechniken, nachhaltige Mobilität oder aber intelligenter Infrastruktur sind die Zukunftsmärkte. Unternehmen erkennen zunehmend die enormen wirtschaftlichen Chancen. Politiker dürfen nicht nur aufgrund von Umweltkatastrophen hektische und unkontrollierte politische Entscheidungen treffen. Sie müssen vor allem langfristige Vorkehrungen treffen. Dazu gehören neben unpopulären Entscheidungen über die Verteuerung von Öl insbesondere Maßnahmen und Vorgaben zur Verbesserung von Energieeffizienz und der Förderung einer nachhaltigen Energiewende und Mobilität. Dies kann man sicherlich nicht an einem Nachmittag in der Fernsehansprache oder in der Diskussion mit Ölkonzernen lösen. Dies bedarf weiterreichender und vor allem langfristig ausgelegte politische Entscheidungen. Die ölverschmierten Pelikane im Golf von Mexiko werden bald in Vergessenheit geraten. Die nachhaltige Energiewende darf es nicht.