Das Handelsblatt hat kein Interesse an der Publikation des Artikels, warum eigentlich nicht? Wie dem auch sei: Hans Werner Sinn fordert in seinem Gastbeitrag vom 20.7.2009 völlig zu recht, dass sich die Klimaschutzpolitik nicht nur auf die Nachfrage- sondern vor allem auch auf die Angebotsseite fossiler Energien beschäftigen sollte. Herr Sinn geht davon aus, dass jegliche Klimaschutzpolitik dazu führt, dass weniger fossile Energie nachgefragt und genutzt wird. Anbieterländer fossiler Energie- er meint in erster Linie Öl- reagieren auf derartige nachfrageorientierte Klimaschutzpolitik, in dem sie schon heute alle verfügbaren Mengen anbieten, da sie davon ausgehen müssen, dass Öl in der Zukunft zum Ladenhüter werden wird. Somit erhöht sich heute das Angebot von Öl und damit sinkt im Vergleich zu einer Situation ohne Klimaschutz der Ölpreis- und damit steigt wiederum die Nachfrage. Dem Klimaschutz sei somit nicht geholfen, so das Argument, denn jegliche Anstrengungen würden somit zunichte gemacht. Es gibt drei Gründe, warum es kein grünes Paradox auf dem Ölmarkt (mehr) gibt:
1. Es gibt eine global steigende Ölnachfrage, und zwar völlig unabhängig von den Preisentwicklungen. Diese Nachfragesteigerungen insbesondere aus den stark wachsenden Volkswirtschaften überkompensieren mögliche Ölnachfragerückgänge seitens der OECD. Die Nachfrage der OECD könnte durch Klimaschutzes bis zum Jahr 2030 bis zu 6 Millionen Barrel Öl pro Tag reduziert werden- mehr können wir nicht schaffen, denn der Umbau von Gebäuden und vor allem der Umstieg auf neue Antriebstechniken und –konzepte im Bereich Mobilität lassen kaum mehr zu. Selbst wenn wir annehmen würden, dass wir ab heute beginnen, flächendeckend Gebäude zu dämmen oder neue Antriebsstoffe zu nutzen- wirksam wäre es erst ein einigen Jahren bis zu Jahrzehnten. Denn die Schaffung einer neuen Infrastruktur, die Erforschung und Inbetriebnahme neuer Techniken etc dauert mindestens 20 Jahre.
Und 2. einer möglichen Nachfragereduktion seitens der OECD Länder stehen jedoch Steigerungen von + 25 Millionen Barrel pro Tag der zukünftig stark wachsenden Volkswirtschaften gegenüber. Knappheiten sind somit vorprogrammiert. Denn noch viel entscheidender ist die Tatsache, dass
3. das Ölangebot nicht in ausreichendem Maße zu steigerndes steigert werden kann: selbst die OPEC rechnet nur noch mit einer Ölangebotsausweitung von bis zu 116 Millionen Barrel pro Tag bis zum Jahre 2025, die IEA (Internationale Energieagentur) nur bis maximal 100 Millionen Barrel pro Tag- und diese können auch nur erreicht werden, wenn in auseichendem Maße in die Ölförderung investiert wird, und das ist anders als 1976 bzw. Anfang der 80 iger Jahre, wo die Theorie von Hans Werner Sinn für den Ölmarkt noch Gültigkeit besaß. Zudem verschärft heute die Finanzkrise das Problem massiv: der Ölpreis ist niedrig, die Investitionen lohnen sich nicht, da viele Ölförderstätten sehr teuer sind (Tiefsee, Permafrostboden). Zudem führt die Finanzkrise dazu, dass insgesamt weniger investiert wird. Das grüne Paradox geht davon aus, dass das Ölangebot beliebig ausgeweitet werden kann, wir sind jedoch viel zu nah am Peak Oil, als dass dies heute noch zutreffen könnte. Der Ölpreis wird somit steigen, da das Angebot nicht ausreichend erweitert werden kann und die Nachfrage auch weiterhin deutlich ansteigen wird. Zu Recht weist Herr Sinn auf die Knappheitspreise hin, die and en Märkten gebildet werden. All diese Faktoren widerlegen jedoch das so genannte grüne Paradox. Zumindest für den Ölmarkt, anders auf dem Kohlemarkt: Kohle steht noch die kommenden 200 Jahre in ausreichendem Maße in vielen Ländern der Welt preisgünstig zur Verfügung- der steigende Ölpreis führt dazu, dass heute mehr Kohle Verwendung findet, sei es für die Stromherstellung, Mobilität zur Herstellung von Kraftstoffen aus Kohle (Coal to Liquid) oder Wärme/Kühlung. Aber auch auf dem Kohlemarkt gibt es in dem Sinne kein grünes Paradoxon, denn es gibt KEIN Angebotskartell. Anders als bei Öl oder Gas gibt es Kohle in nahezu allen Ländern der Welt- nahezu alle Länder inklusive Deutschland sind zugleich Anbieter und Nachfrager von Kohle. Außerdem ist nicht der Ölpreis, Gaspreis oder Kohlepreis entscheidend, sondern der Preis für Kohlenstoff oder Kohledioxid. Denn es muss natürlich darum gehen, dass wir möglichst viele Länder zum Klimaschutz bewegen und somit einen Preis für CO2 kreieren, da hat Her Sinn völlig recht. Idealerweise muss es einen weltweiten Preis für CO2 bzw. für die Treibhausgase geben, dann kann es auch keine Verlagerungen von klimaschädlichen Unternehmen oder Industrieprozessen in solche Länder ohne Klimaschutzanstrengungen geben. Es geht somit nicht darum, dem Angebotskartell ein Nachfragekartell gegenüberzustellen, wie es Hans Werner Sinn fordert. Natürlich muss die Klimaschutzpolitik auf die Angebotsseite konzentrieren, kohlenstoffintensiven Energien müssen durch treibhausgasarme Energien ersetzt werden. Natürlich sind die neuen Techniken derzeit noch teurer als fossile Energien- aber die Kosten werden mit ansteigender Produktion sinken, zudem verteuern sich die fossilen Energien mit steigenden CO2 Preisen.
Aber: wir benötigen Zeit, da von der der Erforschung bis zur Planung, dem Bau neuer Kraftwerke, Infrastruktur oder neuer Techniken mindestens 25 Jahre ins Land gehen- wir müssen also heute beginnen, wenn wir eine Energiekrise vermeiden wollen. Und genau darum ist es richtig, heute auf allen Ebenen, auf der Nachfrage- aber auch auf der Angebotsseite, Klimaschutz zu betreiben.